Text: Peter Metzinger, Inhaber von Mr. Campaigning und Speaker am CRS20 – Bild & Retusche: Adobe Stock & KIG
Der Chief Reputation Officer (CRO) ist eine Führungsposition in einem Unternehmen oder einer Organisation, die in der Regel direkt dem CEO oder dem VR untersteht. Der CRO ist verantwortlich für Reputation, Image, die Wirkung von Öffentlichkeitsarbeit und Public Affairs, das integrierte Markenmanagement sowie die effektive und effiziente Kohärenz und Konsistenz der gesamten internen und externen Kommunikation an allen Berührungspunkten.
Nicht jedes Unternehmen kann oder will sich einen CRO leisten. Aber jedes Unternehmen muss dessen Funktion in irgendeiner Form erfüllen, selbst wenn dies nur unbewusst erfolgt. Im folgenden möchte ich 10 Punkte aufzeigen, die ein Unternehmen zur Entscheidung bewegen können, dass ein CRO in Form einer eigenen Position nicht nötig ist. Gleichzeitig zeige ich damit aber auch die Grenzen dieses Systems auf und verdeutliche, ab wann ein CRO eben doch wirklich Sinn machen kann.
Einen Chief Reputation Officer braucht es zum Beispiel dann nicht, wenn der CEO mit der Unternehmung oder der Organisation gleichgesetzt wird und er seine Reputation selbst gut steuern kann. Dann wird er nebenbei auch die Repuation des Unternehmens steuern. So zumindest lautet die Theorie. In der Praxis ist dies die Ausnahme.
Es gibt und gab in der Geschichte nur wenige begnadete CEOs, die es schafften, die Reputation ihres Unternehmens allein durch ihre charismatische Persönlichkeit zu steuern. In der Regel unterliegen sie dem Curse of Knowlegde und einer Realitätsverzerrung aufgrund selektiver Wahrnehmung und vorgefilterter Informationen. Dann kann ein CEO meist noch nicht einmal seine eigene Reputation steuern.
Aber selbst begnadete CEO/CRO-Kombinationen können Unfälle haben oder Schicksalsschläge erleben, die als einschneidende Erfahrungen ihr ganzes Weltbild verändern und damit auch sie selbst. Muss sich das Unternehmen dann ebenfalls anpassen oder hat es dann auf einmal plötzlich ein Imageproblem?
Die Unternehmensreputation von der seines Chief Executive Officer abhängig zu machen, ist äusserst effizient, aber auch noch viel riskanter. Aber wie sagt man so schön: wer nicht wagt, der nicht gewinnt. Man muss wirklich Mut haben, keine Ahnung oder keine Alternative, um die Reputation des Unternehmens von der öffentlichen Reputation einer einzigen Person abhängig zu machen.
Zu kleine Unternehmen können sich keinen «unproduktiven» Chief Reputation Officer leisten, meint man. Aber gerade Kleinstunternehmen können ihre Reputation viel schneller durch unüberlegte Äusserungen oder Handlungen verspielen und damit ihre Existenzgrundlage verlieren. Für Kleinstunternehmen, die sich auf dünnem Eis bewegen, lohnt es sich, wenigstens ein Teilzeitpensum für einen Chief Reputation Officer vorzusehen. Quasi als Sparringpartner oder Mitarbeiter auf Zeit. So ist ein CRO nicht nur in die Krisenzeiten wertvoll.
Auch im Alltagsmodus kann er wertvolle Dienste leisten, indem er Verkauf und Marketing, sowie Mitarbeitende darin berät und unterstützt, dass alles, was sie tun und sagen, kongruent die gewünschte Reputation unterstützt. Das Ergebnis ist eine klare und wiedererkennbare Positionierung mit Effizienzgewinn für Marketing und Verkauf. Genau das macht Firmen erfolgreich: einzigartig anders und wiedererkennbar sein. Denn dieses ist wichtiger als «besser» zu sein. Darüber, ob ein Unternehmen besser ist, kann man sich streiten, aber nicht darüber, ob es anders ist.
Es gibt Unternehmen, die sich fast alles leisten können, weil sie entweder faktisch eine Monopolstellung haben, wie ein gewisses Softwareunternehmen bei Office-Anwendungen, weil sie sich Arroganz zum Markenkern gemacht haben, wie eine bestimmte Bank zu Beginn des Jahrtausends, oder weil sie es irgendwie geschafft haben, als renommiert zu gelten, auch wenn alle Kunden darüber klagen, über den Tisch gezogen zu werden.
Man kann lange mit einer möglichen, monopolistischen Stellung durchkommen, aber wehe, etwas kleines verändert sich, die Behörden werden aktiv oder der Markt verändert sich plötzlich. Dann braucht es eben doch noch einen Chief Reputation Officer, denn in einer solchen Situation sind die anderen Führungspersonen mit Themen beschäftigt, die wenig Zeit und Raum lassen, sich auch noch über die Aussenwirkung dessen, was sie tun, so richtig Gedanken zu machen.
Ist ein Unternehmen am Ende seines Lebenszyklus angekommen, ist seine Reputation grundsätzlich gefestigt, wie sie sich weiter entwickelt, spielt dann keine Rolle mehr.
Es sei denn, man will auch nach dem Lebenszyklus in guter Erinnerung bleiben. Dann braucht es eben doch einen Chief Reputation Officer. Denn das Letzte was für immer bleibt, ist der Ruf.
In der Regel Startups meinen Startups, sie hätten keine Ressourcen für einen CRO. Dabei kommt es gerade bei Startups enorm darauf an, sich ganz gezielt einen guten Ruf zu erarbeiten, denn wie sonst soll ein noch unbekanntes Unternehmen das Vertrauen potentieller Kunden gewinnen. Sie übersehen deshalb meist, dass es den CRO eben doch gibt, in Form einer Funktion, die miest durch einen der Gründer ausgeübt wird.
Je besser dies gelingt, desto besser die Erfolgsaussichten. Ganz nebenbei sei noch bemerkt, dass Startups, die schon eine Finanzierungsrunde hinter sich haben, ganz sicher schon mit einer guten Reputation Eindruck gemacht haben, zumindest bei den Investoren. Wieso also nicht darauf aufbauen und die Reputation systematisch weiterentwickeln, immer mit dem Blick auf die anderen Unternehmensziele?
B2B-Unternehmen können manchmal auch mit einer suboptimalen Repuation nicht nur gut leben, sondern sogar noch wachsen. Ich kenne eine Agentur, über die praktisch alle Kunden klagen, sie würde sie über den Tisch ziehen und die Leistungen seien völlig überteuert. Trotzdem springen nur selten Kunden ab und die Agentur hört nicht auf zu wachsen. Denn wer mit dieser Agentur zusammenarbeitet, kann im Falle von Problemen seinen Vorgesetzten plausibel machen, dass die Wahl der Agentur nicht so schlecht gewesen sein kann, denn alle anderen sind ja auch dabei.
Wenn im B2B-Business Mitarbeitende über Budgets und Gelder entscheiden, die aber nicht ihnen gehören, dann spielt die Reputation nicht immer eine wichtige und vor allem erste Rolle. Dieses System stösst jedoch schnell an seine natürlichen Grenzen, wenn sich die Inhaber einmischen oder wenn sich die Kultur auf der Autraggeberseite verändert. Dann ist auch im B2B-Business die Reputation auf einmal ein wertvolles Gut. Für Anbieter in einem Markt mit echter Konkurrenz gilt dies sowieso. Ein Chief Reputation Officer ergibt jetzt plötzlich mehr als Sinn.
Bei Franchise-Nehmern ist der Franchise-Geber für die übergeordnete Reputation zuständig. Dennoch sollte man sich nicht zurücklehnen.
Eigene Fehler können sich bemerkbar machen und wenn der Franchise-Geber ein Problem hat, dann gibt es einen Sog-Effekt.
In diesem Fall gibt es nur einen einzigen Grund, keinen Chief Reputation Officer zu haben: er trägt einen anderen Titel.
Faktisch ist der Leiter dieser Abteilung jedoch ein Chief Reputation Officer. Ein solches Unternehmen handelt vorbildlich.
Es gibt grosse Unternehmen, die man in der Öffentlichkeit praktisch nicht kennt. Dazu gehören die grössten Schweizer Unternehmen: Vitol, Glencore, Trafigura, Mercuria, Cargill, Gunvor. Ich wage zu behaupten, den Leserinnen und Lesern dieses Artikels sind gerade einmal zwei davon bekannt. Dabei setzten diese Rohstoffriesen 2018 fast 1 Billion Franken um. Auch gewisse Dienstleister operieren unter dem Radar der öffentlichen Beobachtung, zum Beispiel Anbieter militärischer Sondereinsätze. Diese Unternehmen brauchen solange keine öffentliche, gute Reputation, bis die Behörden auf sie aufmerksam werden.
Dann kann eine gute Reputation vielleicht den Verlauf von Nachforschungen beeinflussen. Solche Nachforschungen können ganze Staaten in helle Aufregung versetzen. Man denke nur mal an die «Crypto-Affäre. Wie dem auch sei, ganz sicher gilt für solche Unternehmen am meisten, dass ihre Glaubwürdigkeit, das höchste, wirtschaftliche Gut darstellt – zumindest bei ihren Kunden oder eben Partnern. Es braucht also auch hier ein gutes Reputationsmanagement, wenn auch nicht gegenüber der Öffentlichkeit. Gerade in solchen Märkten lohnt sich ein Chief Reputation Officer ganz besonders.
So könnte man meinen, wenn Grossunternehmen – oder Behörden – auf Kritik reagieren und dabei ein Mindestmass an Empathie und Selbstreflektion vermissen lassen. Insbesondere in der Auseinandersetzung mit NGOs machen immer noch Unternehmen den Fehler, zu meinen, aus einer Position der Stärke heraus könnten sie die lästigen Angreifer quasi abschütteln. Was sie dabei vergessen, was man aber seit den achtziger Jahren eigentlich wissen sollte, ist dass die Öffentlichkeit immer auf der Seite von David ist, niemals auf der Seite von Goliath. Ein Chief Reputation Officer kann mit seinem emotionalen Anstand die Führung eines Unternehmens in einer solchen Situation darin unterstützen,
Ein Chief Reputation Officer kann sich jeder Situation als Gentleman stellen und dann die richtigen Massnahmen ergreifen, anstatt sich darauf zu fokussieren, die Krise möglichst schnell zu beenden und die lästigen Angreifer loszuwerden; was übrigens meistens jede Krise erst recht verlängert. Gleiches gilt aber auch für Organisationen, die sich per se als gut empfinden. Dazu gehören nicht nur staatliche Organisationen, sondern auch NGOs, deren Führungskräfte das Gefühl haben, der Einsatz für die gute Sache mache sie über jede Kritik erhaben. Der WWF musste das 2011 schmerzlich erfahren, als ein Shitstorm wegen eines kritischen Fernsehberichts über ihn hereinbrach.
Über den Autor: Peter Metzinger, der seit 1982 Campaigning macht und seine Firma nach seinem Spitznamen Mr. Campaigning benannt hat, unterstützt Start-ups und globale Konzerne, Organisationen und Einzelpersonen bei der Bewältigung scheinbar unmöglicher Aufgaben in den Bereichen Führung, Marketing, Kommunikation und/oder Politik. Seine Kunden reichen von A wie ABB bis W wie Weltwirtschaftsforum in Davos. Man sagt über ihn, er finde immer einen dritten Weg, wenn andere nur zwei sehen können. Als Redner hatte er Auftritte in Amerika, Afrika, Asien und Europa, für ein Fortune-500-Unternehmen in Beverly Hills, für Schweizer Hochschulen, das Management Center Innsbruck und das schweizerisch-vietnamesische Luftreinhalteprogramm in Hanoi. Seine Vorträge und Publikationen haben mehreren Dutzend Gründern und Politikern geholfen, ihren Geschäfts- oder Wahlkampf erfolgreich zu starten. Neben der Arbeit an Lösungen für seine Kunden verfolgt Mr. Campaigning auch eigene "Campaigning for Good"-Projekte, indem er Lösungen für die Zukunft der Menschheit sucht, unterstützt und fördert.
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