Christof Küng – Gründer Corporate Reputation Summit – im Interview mit Dr. Kathrin Amacker, Mitglied der Konzernleitung der SBB / Bilder: Gerry Ebner
Reputation gehört auch bei der SBB zu den wichtigsten Anliegen des Unternehmens. Ein guter Ruf kann gerade in der heutigen Zeit, in der sich Nachrichten in sozialen Medien in Windeseile verbreiten, rasch und dauerhaft geschädigt werden. Sicherheit hat für eine Bahn dabei immer oberste Priorität. Eine nachhaltige Unternehmensführung unter Berücksichtigung der ökologischen und sozialen Aspekten hat in den vergangenen Jahren stark an Bedeutung gewonnen und wird immer mehr vorausgesetzt. Unser Image widerspiegelt die Wahrnehmung der Menschen. Das Image ist also die Summe aller persönlich wahrgenommenen Wirklichkeiten.
Fragen der Compliance, das heisst der Berücksichtigung der massgebenden Gesetze und Normen, sind stärker ins Zentrum unternehmerischen Handelns gerückt.
Versäumnisse und Fehler in diesem Bereich können den Wert eines Unternehmens empfindlich beeinträchtigen oder sogar zerstören. Darum sind gelebte Markenwerte für uns zentral. Die Grundlage dazu bildet unsere Dachmarkenstrategie mit den Markenwerten Menschlichkeit, Komfort, Erlebnis, Zukunftsfähigkeit und Nachhaltigkeit.
Unser Versprechen, dass Kunden bei uns gut aufgehoben sind und gut ankommen, soll jeden Tag im Zentrum stehen; dafür geben unsere 33'000 Mitarbeitenden ihr Bestes. Das sollen unsere Kunden spüren. Unser Verhalten dient so unserer Marke, unserem Image und somit unserer Reputation.
1902 begann die Geschichte der Schweizerischen Bundesbahnen. Die SBB entstand aus dem Zusammenschluss kantonaler Bahnen, um das Land bestmöglich zu erschliessen und die Regionen zu vernetzen. Es ist eine «solution suisse», die sich seither ständig weiterentwickelt hat: fast hundert Jahre lang wurde die SBB als Regiebetrieb geführt. Dieser hat die Bahn als Pionier elektrifiziert und digitalisiert. 1999 wurde die SBB von der Bundesverwaltung ausgegliedert und in eine spezialgesetzliche Aktiengesellschaft in Staatsbesitz umgewandelt. Seither wird das Unternehmen nach kundenorientierten sowie unternehmerischen Gesichtspunkten geführt. Der resultierende Konzern, bestehend aus den Divisionen Personenverkehr, Güterverkehr, Infrastruktur und Immobilien, war also stets im Wandel. Heute nimmt die Geschwindigkeit des Wandels durch die disruptive Digitalisierung zu. Da braucht es Orientierung und Vertrauen nach innen. Es braucht eine gemeinsame Reise – und eine gemeinsame Vision. Für die SBB gilt: Bahn im Griff und die Mobilität der Zukunft gestalten – einfach, persönlich, vernetzt.
So haben wir uns auf den Weg gemacht und sind auf die kommende «Transformation» vorbereitet. Wichtig ist uns dabei, immer eine gesunde Balance zwischen «Digitalisierung» und «Mensch» zu behalten. Diese Balance entscheiden wir selbst, nicht ein Algorithmus.
Nicht zu vergessen ist, dass die «Digitalisierung» in der SBB schon seit Jahren stattfindet: Man stelle sich zum Beispiel nur mal vor, dass wir täglich rund 500 Millionen elektrische Schaltungen im Bahnbetrieb haben. Diese Menge können wir nur dank hohem Digitalisierungsgrad verarbeiten. Genau darum sehen wir neben Risiken vor allem auch Chancen im Wandel. Denn neue Technologien bringen neue Möglichkeiten, fördern neues Wissen, verändern Berufsbilder, Arbeitsplätze und schaffen andere Arbeitsumgebungen.
2018 haben wir den schweizweit ersten Digitalisierungsfonds lanciert und mit zehn Millionen Franken ausgestattet. Aus dem Fonds heraus lancieren wir zusammen mit unseren Sozialpartnern Studien und Projekte, welche die unternehmerischen Chancen und Herausforderungen für die Arbeitswelt und die Arbeitsplätze der SBB analysieren. Damit nehmen wir unsere soziale Verantwortung als Arbeitgeberin wahr und leisten einen Beitrag für die nachhaltige Entwicklung der Schweiz.
Seit über hundert Jahren transportiert die SBB Menschen und Güter und ist unbestritten das Rückgrat des Schweizer ÖV-Systems. Wir sind uns dieser Verantwortung bewusst und leisten darum mit hohem Bewusstsein unseren Beitrag an die Lebensqualität und die Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz und ihrer Regionen. An dieser Erfolgsgeschichte wollen wir auch in Zukunft weiterschreiben. Gerade in einer Zeit, in der sich die gesamte Wirtschaft und Gesellschaft sowie die globale Mobilität tiefgreifend verändern.
Dieser Wandel hat längst auch unsere Kunden erfasst. Speziell die junge Generation beschäftigt ganz andere Themen, sie haben andere Idole und lieben andere Marken, als sie mir und Ihnen spontan in den Sinn kommen.
Zum Glück, denn diese Veränderung treibt neue Konzepte voran, bringt neue Mobilitätsanbieter, neue regulatorische Entwicklungen, verändert Märkte und fordert Geschäftsmodelle heraus.
Und wir nehmen das Thema «Transformation» auch darum besonders ernst, weil man heute nicht immer auf den ersten Blick erkennen kann, wer künftig Partner und wer Konkurrent ist. Stichwort: «Frenemy» – also Freund und Feind zugleich. Wo also ist unser Platz in neu entstehenden Ökosystemen? Allein darum brauchen diese Themen Raum im Unternehmen und auch auf Stufe Konzernleitung. Bei so viel Transformation ist Orientierung besonders wichtig. Unsere seit Jahren bewährten neun Konzernziele, bei denen die Sicherheit im Zentrum steht, helfen uns dabei.
Wir setzen auf Analysen, die uns einen Outside-in-Blick ermöglichen und unsere Szenarienfähigkeit verbessern. So setzen wir uns mit Marktveränderungen und Stakeholder-Bedürfnissen auseinander. Wir beschäftigen uns damit, wie sich die zunehmend individualisierten Mobilitäts- und Logistiklösungen durchsetzen. Internationale Fernbusse sind heute Realität, und auch national gibt es erste Anbieter. Irgendwann in der Zukunft steht wahrscheinlich sogar der Markteintritt selbstfahrender Fahrzeuge bevor. Da ist es für uns wichtig, nicht nur die Mobilitätsketten zu kennen, sondern auch das Umfeld – das grosse Bild. Bahnhöfe werden sich zunehmend zu Mobilitätshubs und Destinationen mit attraktiven Dienstleistungsangeboten entwickeln.
Dazu arbeiten wir sowohl mit Treiberanalysen als auch mit Szenarienmodellen. Auch wir wissen nicht, wann welche Entwicklungen bis wann zu erwarten sind, aber mit dem Messen von Image, Kundenzufriedenheit und Bedürfnissen sowie den damit verbundenen Kaufabsichten erhalten wir Orientierungspunkte.
Die Digitalisierung und damit verbunden die neuen Technologien bieten uns neue Chancen, die einzelnen Elemente der integrierten Bahn noch besser miteinander zu vernetzen. Dank täglichen Analysen – welche bis in die Konzernleitung getragen werden – können wir schliesslich gezielter investieren und damit Innovationen vorantreiben.
Reputation entsteht überall im Unternehmen. An jedem Kontaktpunkt mit Kunden, durch alle Mitarbeitenden. Das ist eine kollektive Verantwortung. Um die Fäden zusammenlaufen zu lassen, gibt es kreative Ansätze, zum Beispiel den Chief Diversity Officer, welcher als Vielfaltsbeauftragter neue Wettbewerbsvorteile ausbauen soll, oder den Chief Listening Officer, welcher nicht nur stundenlang im Word Wide Web herumsurfen soll, sondern genau hinhört, was eine Community über eine Marke sagt und schreibt.
All diese Expertenfunktionen auf C-Level-Ebene anzusiedeln, ist nicht praktikabel. Kombiniert man solche Expertenfunktionen mit den nachhaltigen Zielformulierungen – wie etwa den Sustainable Development Goals der Vereinten Nationen –, braucht es zwingend ein Dach.
Das Ziel ist, Ethik und Moral durchzusetzen, Risiken zu minimieren, eine Grundlage für gute Geschäfte und für eine gute Gesellschaft zu legen. So werden nicht nur Gesetze eingehalten, sondern mehr und mehr auch «Soft Laws», sprich Selbstverpflichtungen, angewendet.
Traditionell wurde Corporate Social Responsability (CSR) besonders bei grossen weltweit tätigen Konzernen als Notwendigkeit betrachtet, da diese oft einen grossen ökologischen Fussabdruck hinterlassen und weltweit auf soziale Standards achten müssen.
Doch heutzutage ist CSR nicht mehr von der Grösse eines Unternehmens abhängig, da Konsumenten im Informationszeitalter ein viel stärkeres Bewusstsein für Produkte entwickelt haben. Daher ist es auch für Start-up-Gründer unerlässlich, sich um die eigene Reputation zu kümmern. Am besten nicht erst dann, wenn eine Reputationskrise vorhanden ist, sondern fortlaufend und immer.
Genau darauf basiert die Idee des Corporate Reputation Officer, welcher die verschiedenen Fachexperten koordinieren, einordnen und priorisieren kann. Als eine Art «interner Stakeholder» sind so die Themen Glaubwürdigkeit, Vertrauen, Ethik und Moral verortet, kanalisiert und auf die höchste Unternehmensebene getragen. So wird Reputation-Management schliesslich zu einem Führungsinstrument für jeden CEO.
Christof Küng ist gelernter Typograf. Nach diversen Weiterbildungen studierte er an der Technikerschule TS, Zürich. Für die Abschlussarbeit, nach dem mehrjährigen Studium, wählte Christof Küng die Thematik «Corporate Identity – 4 dynamische Wettbewerbsdimensionen einer markenorientierten Unternehmensführung» und legte so den Grundstein für seine berufliche Selbständigkeit. Christof Küng gilt heute als Fachmann in Fragen rund um Corporate Identity, Markenführung und Reputationsmanagement. Er begleitet Start-Up's, KMU's, Konzerne, Agenturen und Personen von öffentlichem Interesse. Zudem ist er Gründer von CRO.SWISS und Initiator des Corporate Reputation Summit mit Ziel, den Chief Reputation Officer als immer dringendere C-Level-Funktion – speziell auch in der Schweiz – weiter zu etablieren.
Kathrin Amacker, hat an der Philosophisch-Naturwissenschaftl. Fakultät der Universität Basel Pharmazie studiert und wurde dort 1990 promoviert. Sie ist seit 2013 Mitglied der Konzernleitung der
SBB AG, verantwortlich für die Markenführung, den Dialog mit Anspruchsgruppen und Partnern, die Bereiche Regulation und Politik, die interne und externe Kommunikation sowie das
Nachhaltigkeitsmanagement. Zuvor leitete sie als Mitglied der Konzernleitung die Unternehmenskommunikation der Swisscom AG. Von 1990 bis 2010 war sie in leitenden Funktionen bei Ciba-Geigy und
Novartis tätig, in den Bereichen Produktion, Entwicklung und Human Resources. Kathrin Amacker war zudem sozialpartnerschaftlich und politisch aktiv, unter anderem als CVP-Nationalrätin des
Kantons Baselland.