Bildlegende: Wie das Thema Reputation steht auch das Einhorn – als das edelste aller Fabeltiere – als Symbol für das Gute. Indem wir das gerade Horn auf der Stirnmitte durch ein «Cornet Eis» ersetzen, wollen wir spielerisch aufzeigen, wie «surreal» diese Themen sein können. Zumindest bei Reputation wissen wir: Wer das Thema ernst nimmt, bei dem zahlt sich ein guter Ruf aus.
Text: Dr. Alexander Fleischer, Leiter Kommunikation und Mitglied der erweiterten Konzernleitung der Schweizerischen Post – Bild: Adobe Stock
Reputation ist das Urteil der Öffentlichkeit über eine Person oder eine Organisation. Sie ist damit eine spezifische Form der öffentlichen Meinung. Öffentlichkeit und öffentliche Meinung sind genauso abstrakte Konstrukte wie Reputation. Sie sind keine Naturerscheinungen, sondern wurden als Begriffe geschaffen, damit wir uns über soziale Vorgänge verständigen können. Als wäre dies nicht schon anspruchsvoll genug, verschieben sich jetzt die Grenzen der Öffentlichkeit. Zudem verändern sich gewohnte Muster, wie sich öffentliche Meinung bildet, drastisch. Um welche Veränderungen geht es konkret und welche Folgen haben sie für die Reputation?
Wo bildet sich Öffentlichkeit? Wie lässt sich die Meinung oder das Urteil dieser Öffentlichkeit erfassen, abbilden oder messen? Diese Fragen waren schon im letzten Jahrhundert, als alle noch zur selben Zeit dieselben Nachriten vor dem Fernseher konsumierten, schwierig zu beantworten. Die Medienvielfalt hat zwar abgenommen, zugleich hat aber das Internet zahllose Möglichkeiten geschaffen, uns unsere eigene Wirklichkeit zu suchen. Diese Möglichkeiten werden oft genutzt – und das nicht leise. Weil die Ränder des Meinungsspektrums sich immer lauter und radikaler Gehör verschaffen, wird es schwieriger, die schweigende Mehrheit, die öffentliche Meinung zu verorten. Ein erprobtes Mittel der extremen Positionen ist es, Personen oder Organisationen über ihre Reputation anzugreifen.
Für Unternehmen birgt das die Gefahr, von den Polen des öffentlichen Meinungsspektrums in Geiselhaft genommen zu werden und so in eine «Lose-lose-Situation» zu geraten. Während das eine Extrem jubelt, tobt das andere und greift umso aggressiver an. Von allen geliebt zu werden, geht nicht, verkriechen auch nicht. Denn unternehmerisch tätig zu sein, heisst Entscheidungen zu treffen. Will man bei der «expressiven» Reputation nicht versagen, muss man Haltung zeigen und damit leben, dass es Gruppen gibt, die damit nicht zufrieden sind. Dieses Risiko will gemanagt werden. Expressive Reputation habe ich in die Umgangssprache mit «Kraft» übersetzt. Wer kraftvoll wahrgenommen werden will, muss damit leben, von Einzelnen und spezifischen Gruppen keine Zustimmung zu erfahren.
Die funktionale Reputation bezeichnet die Fähigkeit von Personen und Organisationen, die Leistungserwartungen zu erfüllen, die an sie gestellt werden. Ich habe dies in die Umgangssprache mit «Kompetenz» übersetzt. Die wahrnehmende Öffentlichkeit urteilt in dieser Dimension darüber, ob die Aussagen über das, was man besonders gut kann, eingehalten werden. Für Fehler hat es dabei keinen Platz. So weit, so gut. Nur entwickelt sich die Unternehmenslandschaft immer mehr in Richtung lernender Organisationen. «Fehlerkultur» ist die Organisationskompetenz, die gelernt werden will, um den immer schnelleren Veränderungen im Unternehmensumfeld gewachsen zu sein und Wettbewerbsvorteile zu erlangen oder zu erhalten.
Doch dies steht in diametralem Widerspruch zu dem, was die Öffentlichkeit mehr und mehr fordert. Fehler werden skandalisiert, Köpfe müssen rollen und Konsequenzen müssen erfolgen. Je drastischer, desto befriedigender, ehe die Karawane zum nächsten Skandal weiterzieht. Doch soll die funktionale Reputation gewahrt bleiben, führt kein Weg daran vorbei, Prozesse und Instrumente zu entwickeln, um Fehler zu vermeiden. Und aus Fehlern, die trotzdem passieren, zu lernen. Köpferollen ist dem nicht zuträglich. Das Streben nach wahrgenommener «Kompetenz» funktioniert nur mit der immer wieder eingesetzten «Kraft», Kritik zu ertragen.
Ein bekanntes Sprichwort lautet: «Ist der Ruf erst ruiniert, lebt es sich ganz ungeniert.» Das stimmt im Grundsatz. Doch nur die wenigsten können es sich psychologisch oder finanziell leisten, ohne die Wertschätzung oder zumindest die Akzeptanz der anderen zu leben. Gute Reputation lässt sich nicht erzielen, ohne sich bis zu einem gewissen Grad sozialen Normen zu unterwerfen. Organisationen, die Mitarbeitende oder Kunden für sich gewinnen wollen, und zwar nicht nur in einer Nische, sind daher gezwungen, sich politisch korrekt, das heisst gesellschaftlich akzeptiert, zu verhalten. Wer etwas verkaufen oder Aufträge erhalten will, muss ein Minimum an Sympathie gewinnen.
Doch Political Correctness wirkt feige. Ecken und Kanten zu zeigen, mag nicht mehr populär scheinen, aber Anpassung allein ist weder attraktiv noch schafft sie Eigenständigkeit. Und dort, wo die Correctness ins Moralisierende geht, ist Vorsicht geboten. Allzu genüsslich werden Organisationen oder Personen von ihrem hohen moralischen Ross geholt. Und wer im Leben und der Wirtschaft unterwegs ist, kann nicht den Anforderungen an einen Klosterschüler gerecht werden. Tagtäglich müssen Dilemmata auf die eine oder andere Weise aufgelöst werden. Mit moralisierendem Massstab lässt sich in dieser Auflösung immer ein unanständiges Element konstruieren. Moral ist also kein empfehlenswertes Argument. Tugend hingegen schon.
Tatsächlich lässt sich die Fährte von der Philosophie der Antike über die Tugenden der Religion zu den Dimensionen der Reputation verfolgen. Die Kardinaltugend «Gerechtigkeit» (soziale Reputation) allein reicht nicht aus, um «ein guter Mensch» zu werden. Dazu bedarf es ausserdem der «Klugheit» (funktionale Reputation), der «Tapferkeit» (expressive Reputation) und schliesslich der «Mässigung». Auch diese vierte Kardinalstugend lässt sich auf die Reputation übertragen, nämlich als «im Gleichgewicht stehend».
Denn erst wenn alle drei Dimensionen in einem ausgewogenen Gleichgewicht stehen, entsteht in der Wahrnehmung der anderen eine gute Reputation. Ausschliesslich funktional, expressiv oder sozial zu punkten, reicht also nicht. Diese Dimensionen sind im alltäglichen Leben häufig gegenläufig – sie treten also als eigentliches Trilemma auf. Das macht es so anspruchvollich in der Wahrnehmung der Öffentlichkeit in allen drei Dimensionen gleichermassen positiv beurteilt zu werden. Das macht gute Reputation so wertvoll und zugleich so lohnend, besser verstanden zu werden.
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