Text: Bruno Dobler, Verwaltungsrat der CRO-Counsel AG – Bild: Adobe
Planung und Budgetieren sind grosse Steckenpferde von vielen - zu vielen - Führungskräften und gehören noch immer zu deren Lieblingsbeschäftigungen. Nur so lässt sich der Planungsirrsinn begründen, der immer noch in ähnlicher Art und Weise wie vor 70 Jahren stattfindet. Dabei reicht der Blick auf das, was jetzt gerade geschieht: Corona und Lockdown, um zu erkennen, dass Plan und Budget schnell obsolet werden. Mit oder ohne Corona, Hand aufs Herz, zeichnen sich doch ab dem 15. Februar schon die ersten Abweichungen vom Budget ab. Die Aufwendungen sind zwar noch exakt im Plan. Die Ertragsseite stottert hingegen bedenklich und die Bestelleingänge zeigen ein düsteres Bild.
Vom Detailbudget bleibt nach nur 45 Tagen des Jahres bloss noch ein Häufchen Elend übrig. Letztes Jahr war es besser. Da wurde der Plan übertroffen. Ja, und? Er war auch nicht brauchbar. Das zeigt doch eindrücklich, dass der Aufwand des Planes nie seine „Ungenauigkeit“ rechtfertigen kann. Mehr noch: Der Drang zum exakten Plan schadet dem Crew-Geist und behindert die Flexibilität, um in der Zukunft besser und erfolgreicher anzukommen. Deshalb machen Sie Schluss mit den guten Absichten und erhofften Sicherheiten durch den Plan. Mehr als ein Gefängnis für den falschen Glauben gibt er nicht her.
Machen sie es wie der Pilot. Statt die Details zu planen, bereiten Sie sich seriös vor und berücksichtigen Sie Alternativen in alle Richtungen mit Ausweichmöglichkeiten und mit Reserven.
Berücksichtigen Sie starke Seitenwinde und Turbulenzen gerade da, wo diese nicht auf der Wetterkarte eingetragen sind. Im Falle von Unternehmen sind die Turbulenzen vielleicht die bestehenden und neuen Mitbewerber oder auch Ihre Lieferanten die nicht immer wollen - trotz Verträgen - wie Sie gerne möchten. Es schadet gar nichts Phantom-Wettbewerber und andere Störenfriede in der Vorbereitung mit zu berücksichtigen. Piloten wissen, dass auch bei besten Wettervorhersagen, die spätere Aktualität eine komplett andere sein kann. Beim Zielflughafen kann ein Stromausfall das Landen verunmöglicht oder die geplante und treibstoffmässig ökonomischste Flughöhe kann nicht per se genutzt werden.
Was im Flugzeug der Treibstoff ist, bedeutet im Unternehmen die Liquidität.
Der Einwand gegen Budgetieren und Planen mag lauten, die Bank oder der Aufsichtsrat wollen ein Budget. Also gut, statt lange zu diskutieren, liefern Sie. Sie bemühen dazu den Stoss Papier vom letzten Jahr. Ganz wichtig: Vergessen Sie nicht, Titel und Datum an das neue Jahr anzupassen.
Den Budgetwahn haben wir nun also hinter uns gelassen. Die gewonnene Zeit nutzen wir jetzt sinnvoll für den Abbau der Komplexität. Da gibt es in jedem Betrieb ein Eldorado von Möglichkeiten. Ganz so einfach ist es nicht, meinen Sie? Bevor Sie jetzt die aufgeführten Möglichkeiten durchgehen, bitte ich Sie, mir zu versprechen, dass Sie die Vorschläge nicht sofort in den interstellaren Orbit schiessen. Einverstanden? Also legen wir los mit den Massnahmen:
Jetzt sind die Mitarbeiter gefordert, denn sie entscheiden jetzt. Das ist neu für viele. Ausbildung hilft da. Entscheidend für den Erfolg ist gegenseitiges Vertrauen. Deshalb bauen Sie Kontrollen ab und merken Sie sich: Mit den richtigen Leuten läuft der Laden.
Mitarbeiter, die Vertrauen erhalten, wachsen über sich heraus. Sie bleiben im Betrieb und wollen da ihre Karriere machen. Den Fachkräftemangel ist damit Geschichte. In der Luftfahrt ist Vertrauen zueinander existentiell. Der Captain muss sich auf jeden seiner Crew verlassen können.
Je höher ein Flugzeug steigt, desto dünner wird die Luft und desto geringer wird der Reibungswiderstand. Der Kerosinverbrauch sinkt. Je höher das Flugzeug steigt, desto schneller muss es für den nötigen Auftrieb fliegen, um sich in der Luft zu halten. Das geht solange, bis sich auf einer bestimmten Flughöhe die maximal zulässige Geschwindigkeit und die Minimalgeschwindigkeit küssen. Diese Höhe und diese Geschwindigkeit bedeuten betriebswirtschaftlich gesprochen höchste Effizienz nämlich tiefster Treibstoffverbrauch und kürzeste Flugzeit. Der Idealzustand für jeden CFO. Doch das Küssen bei diesem effizienten Punkt birgt grossen Tücken. Das Flugzeug befindet sich bei diesem total optimierten Punkt an einem sehr gefährlichen Ort. Wenn das Flugzeug hier nur wenig schneller oder ein bisschen langsamer wird, kann es entweder beschädigt werden oder zum Strömungsabriss führen. Beides führt zu einem sehr gefährlichen Flugzustand. Wir Piloten nennen das den „Coffin Corner“ - die Sargecke. Und der Ausdruck verheisst es schon. Da wird es schwierig, lebend raus zu kommen.
Kein Unternehmen hat die Entwicklungen, die irgendwo auf der Welt passieren, unter seiner Kontrolle. So kann sich fern ab vom heimatlichen Firmensitz, der langjähriger Lieferant prächtig entwickeln, um plötzlich als Konkurrent wirkungsvoll auf dem Weltmarkt aufzutauchen.
Unsere Wirtschaft und mit ihr die Unternehmen sind weit oben angekommen. Auch da ist die Luft immer dünner geworden, die Risiken sind überproportional gestiegen und steigen immer noch. Die Optimierungen der letzten Jahre führten zu höheren Gewinnen, zu tieferen Gestehungskosten, zu attraktiveren Steuern, zu weniger Arbeitsplätzen an einem und umgekehrt mehr Arbeitsplätzen am anderen, billigeren Ort. Die „Just-in-time“- Euphorie eliminierte Lagerhäuser und heimische Zulieferer.
Die Globalisierung produziert termingerecht zu günstigsten Bedingungen. Alles in bester Ordnung. Alles im Griff. Ein Räderwerk das phänomenal funktioniert. Die Sonne scheint auf die Tüchtigen. Aber wirklich auch auf unseren Piloten?
Sobald der Pilot meint oder glaubt, er habe alles im Griff, wird es brandgefährlich. Doch er kennt das! Diese Erfahrungen hat er während seiner Ausbildung zum Piloten mehrfach machen müssen. Daraus hat er gelernt. Und er weiss, dass wenn er sich mit 850 km pro Stunde bewegt, sich auch vieles rundherum schnell verändert. Um reagieren zu können, wird es wichtig, dass genügend Reserven und Sicherheiten vorhanden sind, um im Falle eines Falles auch ausweichen zu können, Turbulenzen zu umfliegen, technische Pannen auszuhalten mit dem einzigen Ziel sicher anzukommen.
Jetzt bricht mit Corona über die ganze Welt die Krise herein. All das Schöne bricht von einem Tag zum anderen auseinander. Corona ist der “Coffin Corner“ für die Weltwirtschaft. Lieferketten sind unterbrochen, Produktionen stehen still, Kurzarbeit für viele Unternehmen und Mitarbeitende, immer mehr arbeitslosen Menschen und die Staaten verschulden sich. Unternehmer, Arbeitnehmer, Staaten, Menschen starren fassungslos auf das, was rundherum geschieht oder treffender, was nicht mehr geschieht.
Die letzten Woche haben eindrücklich gezeigt, was ein Schwarzer Schwan ist. Und wenn wir es uns überlegen, so bezahlen wir jetzt den Preis für das Optimieren bis in die letzte Ritze bei fehlenden Sicherheitspuffern. Mit dieser Ausgangslage beginnen wohl für alle von uns andere Zeiten. Die neuen Rahmenbedingungen und die Veränderungen, sollten wir in unseren Überlegungen und Entscheidungen sowohl beruflich wie privat einfliessen lassen, wenn es darum geht, doch noch sicher anzukommen.
Corona ist der schwarze Schwan, das Unerwartete, die Krise. Wie finden wir Lösungen, wie meistert die Crew die Krisen. Zuerst braucht es die totale Aufmerksamkeit. Stellen Sie sich vor, beide Piloten sind mit ihrem Handy beschäftigt. Der eine schaut Youtube-Filme, der andere liest seine SMS. Was geht Ihnen da durch den Kopf? Würden Sie mit dieser Crew wieder fliegen wollen?
Szenenwechsel
Wie viele Mitarbeiter im administrativen Bereich sind immer auf Zack und schauen auf ihr Handy? Stört das?
Diese Art von sich bereit halten, ist keinesfalls das, was im Cockpit tolerierbar ist. Die Ablenkungen sind zu gross. Je nach Inhalt kommen auch plötzlich Emotionen ins Spiel, welche die Ablenkungen noch verstärken. Bis jemand wieder im Loop ist, vergeht wertvolle Zeit. Im Falle der Piloten würde auch eine respektable Luft-Distanz zurückgelegt.
Bei 850 km pro Stunde legt das Flugzeug in 10 Sekunden immerhin eine Distanz von 2360 m zurück. In erdgestützten Betrieben wird in der Administration jährlich ein riesiges Vermögen durch solche Ablenkungen verspielt. Da kommen pro Jahr und Mitarbeiter weit über Hundert total falsch eingesetzte Arbeitsstunden zusammen.
Optimale Leistung, gerade auch in Krisen, bedingt möglichst geringe Ablenkung. Bereit sein heisst, mit allen Sinnen bereit sein. Nur in einem solchen Zustand kann eine Situation beurteilt werden.
Jede Sekunde, die fehlt, könnte eine zu viel sein. Und ja, das braucht Disziplin. Das sind auch die Erwartungen des Fluggastes.
Was heisst das nun für ihr Arbeitsumfeld? Welchen Nutzen und Erkenntnisse ziehen Sie daraus?
Um Lösungen auch aus der aktuellen Krise zu finden, nehmen Sie wie die Captains die Checkliste zur Hand. Tun Sie dies alleine oder mit Ihrem Team anhand der D - O - B - L - E - R Checkliste. Schreiben Sie die Feststellungen zu den einzelnen Punkte unbedingt auf:
«Eine Krise ist eine Situation für ein Unternehmen, in der es grossen Schaden erleiden kann, wenn es nicht rasch und effektiv genug reagiert.» Nur sprechen wir über Krisen nicht gerne oder nur dann, wenn sie da sind und wir dazu gezwungen werden. Verdrängen ist aber keine Lösung. Alleine mit dem Sprechen darüber läuft bereits die Prävention. Das ist das Gute daran.
Piloten und Flugbegleiter, bereiten sich systematisch auf abnormale- und Notsituationen vor. Das wird auch im Simulator immer und immer wieder geübt. In der Krise müssen Automatismen greifen, nur so kann ruhig Blut gewahrt bleiben. Das Flugzeug befindet sich auf 12‘000 m Flughöhe bei 870 km/h. Der Copilot hat sich gerade einen Kaffee bestellt. Und wie aus dem Nichts schrillt es durchdringend im Cockpit: Feuerwarnung! Feuer am linkenTriebwerk! Grosse Gefahr! Der Puls steigt sofort. Captain und Copilot schauen sich sich an. Feuer gehört zu den grössten Gefahren an Bord. Ohne Verzögerung ist alles zu unternehmen, um den Brand zu löschen. Wie gehen wir vor? Was würden Sie tun? Sofort?
Und das geschieht jetzt: Sogenannte «By-heart-Items», die notwendigen und trainierten Aktionen werden auswendig und in Absprache mit dem Kollegen, gemeinsam abgearbeitet.
In diesem Falle heisst das kappen der Treibstoff- und Oelzufuhr zum Triebwerk und das Betätigen des Feuerlöschers. Das ist der kleine Anfang.
Doch bevor es weiter geht, geschieht jetzt etwas sehr Wichtiges. Die Piloten teilen die Arbeiten und die Zuständigkeiten auf.
Konkret: Wer fliegt das Flugzeug, wer arbeitet die Checkliste ab, wer kommuniziert mit der Bodenleitstelle, wer informiert die Kabine. Alle Aktionen werden gegenseitig überprüft. Beide Piloten sind immer auf dem gleichen Informationsstand.
Genauso muss es idealerweise auch in erdgestützten Unternehmen ablaufen. Sobald eine Krise festgestellt ist, läuft das Programm „Krisenmanagement“ an. Diese Abläufe sind dem Führungsgremium bekannt und auch trainiert. Klar bestimmt ist auch, wer das Tagesgeschäft führt und dafür die Verantwortung hat. Ich empfehle Ihnen, dass Sie für Ihren Betrieb, die Bedingungen festhalten, die erfüllt sein müssen, eine Situation als Krise zu bezeichnen. Im Krisen-Organisationshandbuch legen Sie die entsprechenden Verantwortlichkeiten fest. Dazu gehört nebst vielen anderen auch die Kommunikation nach innen und aussen. Und vergessen Sie nie mehr: Expect the Unexpectet.
Aus meiner Erfahrung weiss ich, dass der Unternehmer seine Möglichkeiten zum Entscheiden nutzt und sich der grossen Verantwortung für seine Mitarbeiter und für deren Familie bewusst ist. Es braucht jetzt den Mut, die Wendigkeit der kleineren Unternehmen zu nutzen. In dieser schwierigen Situation haben Sie den Vorteil eines Ultraleichtflugzeuges und müssen nicht den schwerfällige A380 navigieren.
Mit der richtigen Vorbereitung und mit der eingespielten Crew können Sie mit Zuversicht auch schwierigste Situationen meistern und gar gestärkt aus der Situation herausgehen.
Wendigkeit bedeutet auch, weniger tun, das aber besser. Nicht die grossen Bücher erfüllen den Zweck. Die einfachen, übersichtlichen und klaren Checklisten und einige wenige vorbereitete Aktionspläne bilden die Grundlage für die Wendigkeit und den Erfolg rasch aus der Krise heraus zu kommen. Sie schaffen das! Mit kameradschaftlichem Fliegergruss «Hals-und Beinbruch».
Wendigkeit bedeutet auch, weniger tun, das aber besser. Nicht die grossen Bücher erfüllen den Zweck. Die einfachen, übersichtlichen und klaren Checklisten und einige wenige vorbereitete Aktionspläne bilden die Grundlage für die Wendigkeit und den Erfolg rasch aus der Krise heraus zu kommen. Sie schaffen das! Mit kameradschaftlichem Fliegergruss «Hals-und Beinbruch».
Ihr Captain und Autor: «Pilot wirst Du nie», sagte der Klassenlehrer in der fünften zu Bruno Dobler! Andere studierten dann, als er Militärpiloten im Kunstflug trainierte. Das Ausbildungszentrum «Horizon» für Linienpiloten gründete er, während seine Kollegen über ihrer Doktorarbeit brüteten. Vorher war er Chefpilot bei der Crossair, Kapitän bei der Swiss, CEO der Helvetic Airways, Zürcher Kantonsrat, fusionierte zwei Bergbahnen im Toggenburg und war Mitglied des ZKB-Bankpräsidiums. Den Executive MBA und den Certified Global Negotiator schloss er an der Universität St. Gallen ab. CRO.SWISS ist stolz, von Bruno Doblers Erfahrung im Verwaltungsrat zu profitieren.
In diesem Workshop zeigen wir, was eine Corporate Identity ist, wo die Marke beginnt, Image aufhört und was der Unterschied zu einer Reputation ist.
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Es gibt nicht viele Industrien, welche ein derart konsequentes Risikomanagement pflegen müssen, wie die Luftfahrt. Darum kann man davon fast nur lernen.
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Vertreter aus dem C-Level, Verwaltungsräte oder Inhaber von KMU’s müssen sich für dieses wichtige Thema interessieren. Investieren Sie einen Tag in Ihren guten Ruf.
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