Text & Illustration: Christof Küng, Gründer & CEO von CRO.SWISS – Bild: Adobe Stock & CH.K
Lineare Weltbilder haben sich in der Globalisierung aufgelöst. Das Internet ist nun wohl aber auch der Haupttreiber für einen zweiten fundamentalen Wandel.
Globale Megatrends wie Umweltzerstörung und Wohlstandsungleichheit kollidieren mittlerweile vor dem Hintergrund einer Transparenz, die so radikal ist, dass die Macht von wenigen Aktionären kaum merkbar auf eine Vielzahl anderer Stakeholder verlagert wird. Es ist unbestritten: Die Generation Z bewegte uns anfänglich alle! Was mit ein paar «Jungen Wilden» begann, schwappte längst auf andere über. Mittlerweile stellen auch ganz normale Mitarbeitende, Kunden, Lieferanten, Behörden und Einzelpersonen Fragen und fordern Veränderungen. Viele haben realisiert: Das gemeinsame Handeln und Denken hat Auswirkungen auf das grosse Ganze! Viele beginnen zu spüren, dass es wirkt. Notfalls drohen Boykotte! Denn die Globalisierung lässt zu viele Verlierer alleine zurück; das produziert viel Frust in der Breite! Darum waren wohl auch Pressure Groups nie präsenter als heute. Diese Gruppen wollen keinerlei Diskriminierungen mehr, zurecht keine Kinderarbeit, keine Waldrodungen und am liebsten wollen diese auch kein Fleisch mehr essen. Die Gleichen sitzen vielleicht im Homeoffice und fragen sich verdutzt, warum 5G nötig ist. Richtig gemessen wird klar: Nicht alle Stakeholder-Gruppen sind rational. Und so braucht es ab diesem Moment nur ein falsches Statement, und schon droht ein unkontrollierbarer Shitstorm.
Das verrückte dabei ist: Auch die Zukunft von Ihrem Unternehmen kann davon abhängen, denn auch Ihre Organisation steht unter ständiger Beobachtung. Sind doch schon jetzt alle vernetzter als je zuvor. Für jede Person, in jedem Moment, von jedem Ort der Welt. Denn die Digitalisierung machte alles transparent und eine Handlung konnte noch nie so schnell bewertet, kommentiert oder gar attaktiert werden wie heute. Es kommt sogar noch schlimmer, die virtuelle und digitalisierte Welt bringt neben den unbestrittenen Vorteilen einer Informationsgesellschaft vor allem auch eine komplette Vergleichbarkeit.
Aber Vorsicht: Während wir den enorm gestiegenen Zugang zu Informationen vordergründig geniessen, befähigen uns diese aber nicht automatisch, mehr zu wissen. Ganz im Gegenteil. Bei dieser Art von kollektiver Intelligenz werden wir immer wieder angehalten, Informationen selbst noch einmal auf «richtig» oder «falsch» zu bewerten. Darum haben wir unsere Fähigkeit zu bewerten und unsere Meinung zu formulieren laufend trainiert.
Für Unternehmen und ihre Konzeptionen wächst damit die Notwendigkeit, das Verständnis der kritischen Öffentlichkeit zu gewinnen. Reichte für den Erfolg noch vor kurzem ein gutes Produkt oder ein einzigartiger Service, wird heute auch ein in allen Punkten korrektes Verhalten verlangt.
So spielen heute bei der Identifikation mit einem Unternehmen neben finanziellen Möglichkeiten immer mehr emotionale Aspekte eine wichtige Rolle. Der Markt hat einen Blick für das Ganze entwickelt und bildet sich heute eine differenziertere Meinung als je zuvor. Wer wir sind, was wir können, was wir wollen und wer wir dabei in den Augen anderer sind, wird immer wichtiger. Das trifft Länder und Personen gleichermassen wie KMU oder Grosskonzerne.
Diese Transformation wird für viele noch schmerzhafter werden als das bisher Erlebte, denn die meisten Organisationen werden plötzlich erfahren, dass die teuer inszenierten Selbstbilder in keiner Weise den echten Bewertungen ihrer Stakeholder-Gruppen entsprechen.
Darum gilt plötzlich Vorsicht mit Black-Friday-Aktionen, Email-Fluten, der Newsletter-Wut, dem Retargeting-Wahn. Headlines, Schlagzeilen. Marken-Ikonen können uns nicht nur auf allen Wegen begleiten, sondern zunehmend auch nerven. Denn mittlerweile buhlt alles im Primat des Tempodroms um unsere Aufmerksamkeit. Das Resultat: Viel zu viele Mails fangen mit einer Entschuldigung an. Wenn denn überhaupt noch eine Email kommt. Viele leben scheinbar in einer Überdosis-Ökonomie. Burnout war gestern. Die neue Zivilisationskrankheit heisst Dauerstress. Klar: Leidenschaft, Engagement und Identifikation drohen wegzubrechen. Und das betrifft sowohl die Sekretärin als auch die Kassierin wie das Top-Management. Viele flüchten sich darum in scheinbare Sicherheiten und handeln auf der Basis von einfachen Wahrnehmungen. Gegessen wird parallel zum Scrollen. Doch wenn Menschen das eine tun und das andere nicht lassen, führt das nicht automatisch zu mehr Konsum.
Aktionen werden lanciert, Preise gesenkt, Lieferketten globalisiert und Versprechen gemacht. Es geht um Umsatz. So gibt es immer solche, welche einem Schnäppchen verfallen. Doch langfristig wird es nicht mehr genügen, einen tiefen Preis statt eines guten Produktes oder eines einwandfreien Services zu verkaufen. Um erfolgreich zu verkaufen, brauchen wir das Marketing nicht neu zu erfinden. Organisationen müssen einfach mit Lust und Leidenschaften liefern, was sie vorher versprochen haben. So lange aber ein Unternehmen, was immer es auch tun mag, sich nicht über seine eigenen Leistungen definiert, sondern Erfolge auf Kosten Dritter verbucht, ist auch das knappe Nein zur Konzern-Verantwortungs-Initiative 2020 nur vorübergehend. Denn im «Hier, Heute und Morgen» gibt es nur ein «Ein und Alles»: Damit Menschen konsumieren, müssen sie vertrauen!
Nur wer sich selbst, seinen Produkten, Services, Prozessen, Mitarbeitenden und anderen Stakeholder-Gruppen Vertrauen schenken kann, macht es überhaupt möglich, dass Vertrauen entsteht. Jeder sollte sich mit der Frage auseinandersetzen: Wer wird das Vertrauen gewinnen und wie wird das Vertrauen gewonnen?
Immer öfter wird in unserer Gesellschaft über Ressourcen gesprochen. Fast automatisch folgt dann eine Diskussion über vergängliche und erneuerbare Energiequellen. Nur selten werden damit auch finanzielle Ressourcen, Mitarbeiter und Talente oder auch der Faktor Zeit verstanden. Eigentlich so gut wie immer geht dabei aber die eigentlich wichtigste Ressource vergessen: Das Vertrauen.
Gemeint ist das Vertrauen zwischen Menschen, Medien, Wissenschaft, Politik, Investoren, aber auch Kunden. Für viele ist Vertrauen mittlerweile so selbstverständlich geworden, dass das Fehlen erst dann bemerkt würde, wenn es längst nicht mehr da ist. Dabei ist das gegenseitige Vertrauen so wichtig wie das Öl in einem riesigen, gut funktionierenden Räderwerk.
Wie gefährlich der Verlust von Vertrauen ist, zeigt der aktuelle Umstand, wenn nicht einmal mehr der Präsident eines ganzen Landes seinem eigenen, demokratischen Wahlprozess vertraut. Umgekehrt vertrauen aber auch in Europa kleine Teile der Bevölkerung der eigenen, ebenso demokratisch gewählten Landesregierung nicht mehr. Plötzlich wird einem bewusst, wie fundamental und unersetzlich wertvoll Vertrauen ist.
Ohne gegenseitiges Vertrauen funktionieren unser privates Zusammenleben, unsere Wirtschaft, unsere Politik und unsere Gesellschaft nicht. Und dieser enorme Wert betrifft jeden: Mal als Geschenk, mal als Vorschuss, manchmal als Voraussetzung, mal als Vorleistung. Ohne gegenseitiges Vertrauen wird alles kompliziert. Und totzdem: Vertrauen ist ein knappes Gut geworden.
Viel zu oft wurde leichtsinnig damit gespielt. Dabei beruhen viele Kaufentscheidungen zunehmend auf Überzeugungen, Goodwill und Haltungen, nicht mehr nur auf Fakten. Vertrauen wird gar als die wichtigste Währung in einer digitalisierten Welt genannt.
Doch die meisten Führungskräfte spüren nicht mehr intuitiv, ob ihnen überhaupt vertraut wird oder nicht. Sie wissen leider häufig auch nicht, welche Faktoren letztendlich für das Vertrauen verantwortlich sind oder Glaubwürdigkeit auslösen.
Genau darum wird es auch viel zu selten als Versprechen gesehen, welches unbedingt eingehalten werden muss. Immer weniger wird verstanden, dass Vertrauen nicht einfach da ist. Vertrauen ist mit Engagement verbunden. Es zeigt sich schon im Denken. Vertrauen muss aber vor allem erlebbar sein, sich im Verhalten manifestieren und sich schliesslich in jeder Leistung widerspiegeln. Dann wird einem das Vertrauen geschenkt.
Vertrauen kann aber auch gewonnen werden. Vertrauen kann wachsen. Am besten ist, wenn Vertrauen bei einem selbst beginnt. Als individuelle und ganz grundsätzliche Haltung. Denn nur wer sich selbst, seinen Produkten, Services, Prozessen, Mitarbeitern und anderen Stakeholder-Gruppen das volle Vertrauen schenken kann, macht es überhaupt möglich, dass Vertrauen entsteht. Jetzt muss sich jeder mit der Frage auseinandersetzen: Wer wird das Vertrauen gewinnen – oder noch wichtiger – wie wird das Vertrauen gewonnen? Denn ohne Vertrauen gelingt in Zukunft selten noch Grosses.
Hier geht's weiter:
Am meisten Leser interessierten sich auch für folgende Artikel:
Das Fachmagazin “CRO” liefert UpGrades: Ideal für Inhaber, CEOs, Verwaltungsräte, Corporate Center-, C-Level- und Risk Manager sowie MarCom-Verantwortliche.
MEHR LESEN
Reputationsrisiken sind in der digitalisierten Welt, zu einer ständigen Bedrohung für den Ruf einer Unternehmung, Organisation oder Person geworden.
In diesem Workshop zeigen wir, was eine Corporate Identity ist, wo die Marke beginnt, Image aufhört und was der Unterschied zu einer Reputation ist.
MEHR LESEN