Text: Sabrina Huber, CRO.SWISS - Bild: Adobe Collection
Der Begriff «Reputationsschaden» ist in aller Munde. Oft benutzt man das Wort beiläufig oder setzt es mit einem leicht angekratzten Image gleich. Auf die kleinen, aber bedeutenden Differenzen dieser Begrifflichkeiten einzugehen, würde an dieser Stelle zu weit führen. Fakt ist: Für den vorliegenden Fall darf man ruhig mit der grossen Kelle anrühren und das Wort «Reputationsschaden» benutzen.
Doch warum wird aus einer anfänglich scheinbaren Bagatelle ein Reputationsthema von internationaler Ausstrahlung? Gutes Reputationsmanagement basiert auf fünf Erfolgsfaktoren*, welche die Basis dieser Analyse darstellen. Ein Versuch, den Fehltritt von CS-Verwaltungsratspräsident António Horta-Osório strukturiert einzuordnen.
* Diese wurden anlässlich des ersten Swiss Reputationmanagement Award am 24.06.2021 präsentiert.
Wenn man diesen Erfolgsfaktor liest und am vorliegenden Fall spiegelt, weiss man gar nicht, ob man weinen oder lachen möchte. Vorauszuschicken ist: In den letzten Monaten nutzte António Horta-Osário, gemeinsam mit CEO Thomas Gottstein, zahlreiche Gelegenheiten, den Kulturwandel, den es bei der CS so dringend einzuläuten gilt, zu positionieren. Interviews und ausführliche Beiträge mit dem Spitzenduo waren in Boulevard- und Leitmedien gleichermassen zu lesen.
Diese Präsenz mit klaren Statements, manchmal schon fast erfrischend, stimmten positiv. Wie wichtig das akribische Befolgen von Regelungen sei, also eben diese Risk-Manager-Eigenschaft, stand stets im Zentrum der Artikel und wirkte vertrauensfördernd. Man wusste, dass das Eis dünn und das Brett dick ist.
Und jetzt das: Integrität sieht anders aus.
Heisst so viel wie: Welche Erwartungen haben die verschiedenen Stakeholder an mich bzw. an mein Unternehmen? Sich die Brille der Mitarbeitenden, der Kundschaft, der Öffentlichkeit und weiterer Stakeholder von Zeit zu Zeit auf die Nase zu setzen, schafft Klarheit und freie Sicht auf die Konsequenzen meines Verhaltens. Gerade in stürmischen Zeiten lohnt es sich, ganz genau hinzuschauen und die Brillengläser regelmässig zu säubern.
Mit wenigen und einfachen Fragen an sich selbst wäre Horta-Osário rasch auf die Antwort gekommen, die er in diesem Moment gebraucht hätte. Manchmal sind Menschen auf sich alleine gestellt, die richtigen Fragen zu formulieren. Doch manche haben Glück und sind umgeben von Consultants, die eine Stakeholder-Brille dabeihaben.
Man muss sie nur fragen.
Man könnte auch sagen: Verantwortung für die Gesellschaft übernehmen.
Das zeichnet Unternehmen mit einem guten Reputationsmanagement aus. Sie setzen sich für die ganz grossen Themen ein und machen die Welt ein kleines Stück besser. Selbstverständlich darf auch selbstbewusst darüber gesprochen werden, Stichwort Nachhaltigkeitsbericht. Zur Präzisierung: Das reine Einhalten von einfach verständlichen und klar definierten Regelungen ist kein besonderer Beitrag an die Gesellschaft, sondern schlicht eine Selbstverständlichkeit.
Umso schlimmer, eine Regel zu übergehen – offenbar mit Absicht – nur weil man sich auserwählter, besser, wichtiger oder mächtiger als der Durchschnitt fühlt.
Zugegeben, die Begrifflichkeiten «das grosse Ganze» und «der ganz Grosse» liegen nahe beieinander, sind jedoch nicht zu verwechseln.
Antizipieren und vernetzt denken kann Horta-Osários. Daran zweifelt niemand. In einem dynamischen und kompetitiven Umfeld wie es die Banken sind, mit Sicherheit zentrale Eigenschaften für einen Verwaltungsratspräsidenten.
Doch die monetäre und wettbewerbsorientierte Sicht auf diese Kompetenzen reicht heute schlicht nicht mehr aus.
Antizipieren und vernetzt zu denken gilt nicht nur für die grossen Entscheidungen dieser Welt, sondern auch für die kleinen Alltagsthemen und das persönliche Verhalten ausserhalb des fachlichen Bewegungsradius. Ein Präsident sollte sich auf jedem Parkett bewegen können, taktisch und taktvoll. Zwei Schritte vorauszudenken ist immer besser als hinterherzurennen.
Was von aussen nicht umfassend bewertet werden kann, ist die fachliche Reputationskompetenz in den verschiedenen Fachbereichen der CS. Beziehungsweise könnte an dieser Stelle am ehesten eine Rose (anstelle des Kaktus) ausgeteilt werden. Mit grosser Wahrscheinlichkeit beschäftigt die CS äusserst kompetente Mitarbeitende, welche sich mit bestem Wissen und Gewissen um den guten Ruf des Unternehmens kümmern und Massnahmen stets sorgfältig abwägen.
Sie setzen sich bereits heute tagtäglich als Risiko-Managerinnen und -Manager ein, leben die Werte, integrieren den Aussenblick, leisten einen Beitrag ans grosse Ganze und handeln vorwärtsorientiert.
Sie alle dürfen erwarten, dass Verwaltungsrat und Geschäftsleitung als gutes Vorbild vorausgehen.
Eines ist klar: Herausforderungen haben alle. Unternehmen mit einer guten Reputation haben nicht einfach das Glück, dass der Kelch der Schwierigkeiten an ihnen vorbei geht. Auch sie müssen sich regelmässig unangenehmen Themen stellen, bei denen sie nicht immer eine Rose abholen. Bei Reputationsmanagement geht es nicht um eine Null-Fehler-Kultur. Im Gegenteil. Es geht um den Umgang mit Fehlern, ums Hinstehen, daraus zu lernen und in Zukunft diesen Fehler zu vermeiden. Ein ehrlich gemeintes «Ich bedaure diesen Fehler aufrichtig» zum richtigen Zeitpunkt und im richtigen Kontext kann durchaus entschärfen. Zu den grössten Risiken in Unternehmen gehört die Reputation. Besonders dann, wenn man sie nur als zufälligen Nebeneffekt betrachtet.
Zugleich ist die Reputation eine der grössten Chancen: Nämlich dann, wenn man sie vorwärts- und chancenorientiert steuert. Reputationsmanagement ist Risiko- und Chancenmanagement in einem. Wer den guten Ruf proaktiv steuert, hat loyale Stakeholder, ist krisenresistenter und schafft immaterielle Werte. Auch wenn dies nicht auf den ersten Blick in der Bilanz sichtbar ist, Reputation ist Initiator und Treiber für den zukünftigen Vermögenswert und beeinflusst den Aktienkurs.
Zeit, dass jede Mitarbeiterin und jeder Mitarbeiter, jede Verwaltungsratspräsidentin und jeder Verwaltungsratspräsident zum Reputations-Manager wird.